Am 1. Oktober 1919 trat David Katz die neue Professur für „Pädagogik und experimentelle Psychologie“ an der Philosophischen Fakultät der Universität Rostock an. Diese Professur war anlässlich der 500-Jahr-Feier der Universität Rostock vom Bildungsministerium in Schwerin zum Wintersemester 2019 neu eingerichtet worden. Damit wurde auch an der Universität Rostock das Fach Psychologie etabliert. Das Institut für Pädagogische Psychologie „Rosa und David Katz“ begeht dieses Datum am 1. Oktober 2019 mit einem Festakt und zwei Symposien.
Im Rahmen des Festaktes am Vormittag erwartet die Besucher/innen nach einem historischen Abriss der Geschichte des Faches Psychologie an der Universität Rostock der Festvortrag von Dr. Tanja Gabriele Baudson (Universität Luxemburg, IGDORE) zum Thema „Einserschülerinnen, Nerds und verrückte Genies: Woher Hochbegabtenstereotype kommen, wie wir damit umgehen können und was sie mit der menschlichen Natur zu tun haben". Dr. Baudson ist nicht nur ausgewiesene Expertin auf dem Gebiet der Intelligenz- und Begabungsforschung, sondern hat für ihre Leistungen in der Lehre, ihr gesellschaftliches Engagement und ihre herausragende Art der Wissenschaftskommunikation zahlreich Preise erhalten. So wurde ihr Blog zu Themen der Begabungsforschung und -förderung von Springer Nature als „bestes Wissenschaftsblog 2016“ ausgezeichnet und 2018 erhielt sie den Preis „Hochschullehrerin des Jahres“ des Deutschen Hochschulverbands.
Am Nachmittag können die Besucher/innen wahlweise ein Symposium zu Themen der Begabungsforschung und Begabungsförderung oder zur Geschichte der Psychologie an der Universität Rostock besuchen. In den Pausen kann man sich anhand von Postern über aktuelle Projekte informieren, die am Institut für Pädagogische Psychologie „Rosa und David Katz“ durchgeführt werden.
Im Rahmen des Festaktes übereichte Johan Katz (Stockholm), der Enkel von David Katz, dem Institut das handschriftliche Manuskript der Habilitationsschrift seines Großvaters zum Geschenk. David Katz erweiterte und bearbeitete seine Habilitationsschrift in seiner Rostocker Zeit tiefgehend. Das Manuskript weist Eintragungen und Notizen auf, die vermutlich in Rostock entstanden sind. Genaueres wird die Analyse zeigen. Die Schrift stellt die Grundlage des Buches „Der Aufbau der Farbwelt“ dar, das 1930 auf Deutsch und 1935 auf Englisch erschien und als bedeutendste Veröffentlichung David Katz‘ mit wissenschaftlicher Wirkung bis heute gilt.
Historischer Überblick über die Psychologie an der Universität Rostock:
David Katz (1884-1953) führte die Psychologie in den Jahren an der Universität Rostock bis 1933 zu bemerkenswerter Blüte: Das Psychologische Institut, das damals unter anderem über die einzige tierpsychologische Forschungsstation in Deutschland verfügte, entwickelte eine enorme Forschungsstärke, worüber die zahlreichen Publikationen von David Katz und seinen Mitarbeitern/innen und 21 Doktoranten/innen zu Themen der Wahrnehmungs- und pädagogischen Psychologe beredt Auskunft geben. Mit dem Institut für Psychologie eng verbunden war auch Rosa Katz (1885-1976), die Ehefrau von David Katz, die unter anderem die Ideen Maria Montessoris in Deutschland bekannt machte und hierzulande als Mutter der Montessori-Pädagogik gilt.
Nachdem David Katz von der nationalsozialistischen Landesregierung 1933 aus dem Amt gedrängt worden war und nur noch die notwendigste Lehrangebot für Lehramtsstudierende aufrechterhalten wurde, verlor das Fach Psychologie an der Universität Rostock stark an Bedeutung. Erst im Rahmen der Reformen nach dem 2. Weltkrieg und der Neuaufstellung der Lehramtsausbildung blühte die Psychologie wieder auf. Besonders unter dem kreativen und tatkräftigen Prof. Dr. Heinz Grassel (1925-1981) hatte das Fach Psychologie nicht nur für die Lehrerbildung an der Universität Rostock, sondern im gesamten Bildungswesen der DDR einen hervorragenden Ruf für seine fachlichen Leistungen.
Aber auch im letzten Drittel des vergangenen Jahrhunderts spielte die Psychologie an der Universität Rostock eine wichtige Rolle nicht nur für die Lehrerbildung in der Region, sondern die Forschungen zur (pädagogisch-)psychologischen Diagnostik, zur sonderpädagogischen und Begabungsforschung machten die Rostocker Psychologie in und über Deutschland hinaus weit bekannt, wovon aktuell auch die vielen Kooperationsbeziehungen zeugen.
Text und nähere Auskünfte: Christoph Perleth (E-Mail: christoph.perlethuni-rostockde)
Zu Tanja Gabriele Baudson: https://de.wikipedia.org/wiki/Tanja_Gabriele_Baudson
Zu David Katz: https://de.wikipedia.org/wiki/David_Katz
Zu Rosa Katz: https://de.wikipedia.org/wiki/Rosa_Katz
Zu Heinz Grassel findet sich in diesem Heft ein Artikel: https://www.uni-rostock.de/fileadmin/uni-rostock/UniHome/Presse/Magazine/ausgabe1-2009.pdf