Liebe Studienanfänger*innen,

Prof. Dr. Jens Brachmann, Studiendekan (ab 01.10.2022) (Foto: privat)

mit dem gerade beginnenden Wintersemester nehmen Sie ein akademisches Studium auf. Sie treten damit ein in eine Institution, die zu den großen und zu den erfolgreichsten kulturellen Erfindungen der Zivilisation zählt – die Universität. Die Bezeichnung für diese seit dem Spätmittelalter nachweisbare Organisationsform akademischer Lehre leitet sich dabei ab von universitas. Fälschlicherweise wird häufig angenommen, dass mit diesem Begriff Bezug genommen werde auf den Umfang, die vorgebliche Vielgestaltigkeit und die vermeintlich allgemeine Gültigkeit des an diesen Orten gelehrten Wissens (i.e. universalitas). Tatsächlich aber meint universitas hier die sehr exklusive Form der Begegnung und des sozialen Umgangs von Lehrenden und Lernenden in quasi monastischer Abgeschiedenheit jenseits der Anfechtungen profaner, also weltlicher Zweckdienlichkeit. So waren es häufig kleinere Klöster in südeuropäischen mittelalterlichen Metropolen, in denen gelehrte, wegen ihrer außerordentlichen Kenntnisse überregional bekannte Mönche lebten, denen sich derart Wissbegierige anschlossen, um von diesen Meistern zu lernen. Wissenserfahrene und -novizen bildeten Gemeinschaften. Lehrer und Schüler begegneten sich dabei aber auf Augenhöhe, denn ihr Ziel war das gemeinsame Streben (studium) nach Wissen, das Forschen nach neuen Erkenntnissen oder die Suche nach den verlorengegangenen Weisheiten. Diese innovative Sozialform jener der Wissens- und Erkenntnissuche Verpflichteten war offensichtlich so erfolgreich, dass diese nicht im Malstrom historischer Verwerfungen unterging, sondern die großen Katastrophen der Moderne überdauerte: Universitäten gibt es noch immer. Universitäten widerstanden den Pestepidemien des 14. wie des 17. Jahrhunderts. Universitäten bestanden fort trotz der Spanischen Grippe im frühen 20. Jahrhundert. Universitäten überdauerten den Dreißigjährigen Krieg und zwei weltumfassende zivilisatorische Tragödien im vergangenen Säkulum. Die Universität als Gemeinschaftsform Wissenssuchender wird es deshalb auch nach der Pandemie und auch nach dem verbrecherischen Angriffskrieg geben, die unsere Alltagswelt aktuell flankieren. Das zumindest stimmt hoffnungsfroh.

Der Verweis auf die Tradition einer historisch gewachsenen Institution soll Ihnen nicht nur vermitteln, dass Sie, liebe Studienanfänger*innen, nun an einem sicheren, an einem im Sturm unruhiger Zeiten bewährten, an einem zukunftsorientierten Ort sind. Vielmehr treten Sie mit der Aufnahme eines Studiums nun ein in ein soziales Setting, das eben nicht nur eine lange Geschichte vorweisen kann, sondern vielfältig auch sehr anders organisiert ist, als Sie dies aus Ihren Herkunftsmilieus und -einrichtungen möglicherweise kennen. Vielleicht werden einige von Ihnen deshalb Verunsicherung empfinden, weil die vertrauten familiären, schulischen oder Freizeitroutinen vermeintlich nur unzureichend als Ressourcen taugen, um am nun neuen Bildungs-, Lebens- und Wohnort Orientierung zu finden. Gerade vor diesem irritierenden Ereignishorizont hilft die Idee, hilft die Vorstellung der universitas als eines gemeinschaftlichen Erfahrungsraumes.

An der Universität Rostock, gerade auch an der Ihnen nun zur institutionellen Heimat werdenden Philosophischen Fakultät, werden Sie Menschen treffen, die (wie Sie momentan gerade) einst das Abenteuer des Studienbeginns gewagt haben. Bei einigen – wie etwa bei Ihren künftigen Dozentinnen und Dozenten – liegt diese Erfahrung bereits etwas länger zurück. Bei Ihren Kommilitoninnen und Kommilitonen der höheren Semester ist dies jedoch noch eine sehr präsente biografische Erinnerung. Alle aber, egal ob Lehrende oder Mitstudierende, wissen wir sehr genau, welchen Herausforderungen Sie sich nun stellen wollen und welche Anforderungen an die Selbstorganisation und an die individuelle Verantwortung dieser lebensgeschichtliche Neubeginn für Sie bedeutet.

Wir alle – Lehrende, erfahrene Studierende, Mitarbeitende in den Instituten und in der Verwaltung – werden Sie, liebe Studienanfänger*innen, mit all‘ unserer Erfahrung wie mit unserer Expertise dabei unterstützen, jene Sie gerade ungemein fordernde Eingangsphase möglichst reibungsfrei, transparent und für Sie erfolgreich gestalten zu können. Erste Hinweise zur Orientierung auf diesem Weg finden Sie in der Broschüre, die wichtige Informationen, die Serviceangebote und Kontaktadressen dokumentiert und aufbereitet. Darüber hinaus finden Sie Anhaltspunkte für die individuelle Studienorganisation mit Hinweisen zur Erstellung eines sinnvoll strukturierten, für Sie realistischen Stundenplans, der sowohl Ihre Wahlfreiheiten als auch die Vorgaben der Prüfungs- und Studienordnungen berücksichtigt. Alle diese Ratschläge werden Sie allerdings nicht davon entbinden können, die Verantwortung für Ihre individuelle Studienbiografie übernehmen zu müssen. Dazu gehört auch, dass Sie sich mit den jeweiligen Studienordnungen jenseits dieser Handreichungen selbst vertraut machen und diese eben auch lesen.

Sehr dringlich empfehlen wir Ihnen auch die persönliche Teilnahme an den während der Studieneinführungstage veranstalteten Einführungen. Diese werden entweder zentral von der Universität und vom Zentrum für Lehrerbildung organisiert (letztere etwa für die Studierenden in den unterschiedlichen Lehramtsstudiengängen), oder aber von jenen Instituten angeboten, die jeweils die Studiengangsverantwortung in den unterschiedlichen Bachelor- oder Masterausbildungen tragen. Während dieser Veranstaltungen werden Sie Menschen treffen, die Ihnen offen begegnen und die Sie unterstützen möchten. Seien Sie dessen gewiss und scheuen Sie nicht, dort alle Sie betreffenden Fragen zu stellen und Rat zu erbitten.

Hilfe und große Expertise werden Sie aber auch in den Fachschaften, den Inte-ressenvertretungen Studierender finden. Engagierte Kommilitoninnen und Kommilitonen höherer Semester werden Ihre Fragen dabei vielleicht sogar zielführender beantworten können als Lehrende oder Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Verwaltung. 

Nutzen Sie alle diese Ressourcen, nutzen Sie die aufgezeigten Informationsmöglichkeiten und nutzen Sie die Gesprächsangebote daher proaktiv! Gehen Sie zu auf die Menschen, die Sie treffen werden!

Der hier skizziert übergroße Erfahrungsschatz der akademischen Gemeinschaft ist selbstverständlich nicht beschränkt auf organisatorische Fragen und auf die Klärung der Sie möglicherweise gerade irritierenden institutionellen Fallhöhen. Vielmehr – und vor allem – begegnen Ihnen hier an der Universität fortan nun Menschen, die den Lebensabschnitt, der vor Ihnen liegt, in den nächsten Monaten und Jahren maßgeblich prägen werden. Die Zeit an Ihrer nun neuen akademischen Heimstätte wird ein Moratorium für Sie sein. Sie werden sich hier verändern. Sie werden wachsen an diesem Ort. So und so. Nutzen Sie diese chancenreiche Zeit für interessante Begegnungen! Seien Sie offen für individuelle Neugier wie für die eigenverantwortliche intellektuelle Erkundung. Und lassen Sie sich ein auf dieses Abenteuer, bei dem sich Lehrer und Schüler – wie der Bildungsphilosoph Georg Picht einstmals schrieb –, bei dem sich Lehrende und Lernende gemeinsam auf die Suche nach der verlorenen Weisheit begeben, wie man ein Mensch wird.

Sehr herzlich wünscht und erhofft dies Ihr Studiendekan (ab dem 01.10.2022) Prof. Dr. Jens Brachmann