Interdisziplinäres Projekt des Landesamts für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart und des Heinrich Schliemann-Instituts der Universität Rostock weist 100.000 Jahre Siedlungsaktivität auf dem Feldberger „Steinacker“ nach

Rostocker Studierende beim Vermessen von neuen Funden (Copyright: Marcel El-Kassem).
Rostocker Studierende beim Abtragen im Schnitt 8 (Copyright: Christian Marzinke).

„Mittlerweile wird klar, dass wir im ersten Jahr bei der Auswahl der Untersuchungsflächen auch ein wenig Glück hatten“, konstatiert der Grabungsleiter Dr. Marcel Bradtmöller von der Universität Rostock aufgrund der neuen Untersuchungsergebnisse. „Wir konnten hier eine eiszeitliche Kuppe mit größtenteils ungestörten Siedlungsresten dokumentieren, deren oberste Fundschicht nur 20 cm unterhalb des Pflughorizontes beginnt.“

Forschungsschwerpunkt des Projektes war in den letzten beiden Jahren die Identifikation erhaltener Siedlungsschichten, was mit der Dokumentation von Aktivitätsbereichen des Neandertalers und des frühen modernen Menschen auch spektakulär gelang. Deshalb wurden die Arbeiten auch 2020 im Rahmen einer Lehrgrabung mit zehn Studierenden der Universität Rostock und drei Mitarbeitern des Landesamtes für Denkmalpflege erfolgreich fortgeführt.

Darüber hinaus rückte dieses Jahr verstärkt die Rekonstruktion der lokalen eiszeitlichen Landschaft in den Vordergrund. Abschließende Daten hierzu liegen zwar noch nicht vor, jedoch zeigen erste Ergebnisse beteiligter Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, dass das heutige Hangrelief nur wenig Gemeinsamkeiten mit der eiszeitlichen Topografie aufweist. „An vielen Stellen fehlen mehr als zwei Meter Boden, während der heute eingeebnete Hang damals durch ein lebhaftes Relief aus Kuppen und Mulden gekennzeichnet war“, erläutern Dr. Christoph Schmidt von der Universität Lausanne und Dr. Felix Henselowsky von der Universität Heidelberg. Dabei sind die Mulden heute mit mehr als fünf Meter mächtigen Schwemmlösspaketen verfüllt. Dieses Modell erklärt sehr gut, warum in den letzten Jahrzehnten an einigen Stellen die fundführenden Schichten vom Pflug zerstört und die Artefakte an die Oberfläche gerissen wurden. Wobei die erhaltenen Areale für die Archäologinnen und Archäologen naturgemäß von besonderem Interesse sind.

Eine solch vielversprechende Situation zeigt sich im neu untersuchen Grabungsschnitt 8, wo im Bereich einer ausgeprägten Geländekuppe mehrere Paläoböden mit steinzeitlichen Hinterlassenschaften identifiziert werden konnten. Art und Lage lassen auf weitestgehend ungestörte Aktivitätsbereiche schließen. Dies wird auch durch die Analyse von Sedimentdünnschliffen durch Dr. Arantzazu Pérez Fernández von der Universität Tübingen bestätigt. Sie konnte u.a. eiszeitliche Regenwurmaktivitäten in diesen Böden nachweisen, was auf relativ günstige klimatische Bedingungen im Winter hindeutet und den ungestörten Charakter der Schichten belegt.

Es handelt sich somit „um eine paläolithische Freilandfundstelle von herausragender überregionaler Bedeutung, an der sich auf einzigartige Weise das Leben der eiszeitlichen Wildbeuter studieren lasse“, wie Marcel El-Kassem, Projektleiter vom Landesamt für Denkmalpflege Baden-Württemberg, nachdrücklich betont.

Im nächsten Jahr sollen die gemeinsamen archäologischen und geowissenschaftlichen Untersuchungen noch intensiviert werden, um noch weitere intakte Fundstellenareale zu identifizieren.

 

Kontakt:
Dr. Marcel Bradtmöller
Universität Rostock
Heinrich Schliemann-Institut für Altertumskunde
Tel.: +49 381 498-2105
marcel.bradtmoeller@uni-rostock.de

Marcel El-Kassem
Landesamt für Denkmalpflege
Im Regierungspräsidium Stuttgart
Dienstsitz Freiburg
Tel.: +49 761 208-3582
Marcel.ElKassem@rps.bwl.de


Back