3 Tage lang hatten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Exkursionsseminars Gelegenheit, mit Drucken des 16.-18. Jahrhunderts zu arbeiten und erste Forschungserfahrungen im Umgang mit alten Buchbeständen zu sammeln. Literarische französische und italienische Texte (z.B. von Molière, Mme de Scudéry, Jean de La Fontaine, Giovanni Boccaccio) aber auch Traktatliteratur der Frühen Neuzeit zum Ideal des honnête homme und der donna del palazzo, zur Kindererziehung und zur höfischen Konversation (z.B. du Bosc, Bossuet, Castiglione, Guazzo, della Casa) wurden untersucht. Der umfangreiche Bestand der Herzog August Bibliothek, die zeitweise sogar als 8. Weltwunder gehandelt wurde und für die Frühe Neuzeit noch heute zu den renommiertesten Forschungsbibliotheken der Welt zählt, bot aber auch Gelegenheit, unbekanntere, noch nicht digitalisierte Texte zum Thema im Original einzusehen und Entdeckungen zu machen. Herzog August, der gelehrte Hauptbegründer der Bibliothek, hatte im 17. Jahrhundert nicht nur deutschsprachige und lateinische, sondern auch französische und italienische Bücher seiner Zeit gesammelt bzw. gezielt aus aller Welt erworben – und damit einen einzigartigen und für Rostocker Studierende gut erreichbaren Fundus an romanischer Literatur geschaffen, der von Forschenden aus der ganzen Welt aufgesucht wird.
Die Arbeit in der durch ihre Bestände beeindruckenden Herzog August Bibliothek begann mit einer fachkundigen Einweisung in die Katalogsbenutzung und in die Recherchemöglichkeitensowie mit einer Führung durch die musealen Räume, die die von Herzog August gepflegte Aufstellung der Bücher nach Sachgebiet und Größe (!) noch gut erkennen lassen. Auch über die weitere Geschichte der Bibliothek, an der auch Gottfried Wilhelm Leibniz und Gotthold Ephraim Lessing als Bibliothekare tätig waren, war hier viel zu erfahren.
Die Studierenden verfolgten dann unter dem vorgegebenen Rahmenthema individuelle Projekte, deren Absprache in den Vorbereitungssitzungen, aber auch in zahlreichen Einzelkonsultationen vor und während der Exkursion erfolgte. An jedem Abend wurde ein Kolloquium zur Besprechung der Ergebnisse, Hürden und Triumphe des Seminartages abgehalten – bevor der historische Weihnachtsmarkt als Belohnung lockte.
Neben der inhaltlichen Arbeit am Rahmenthema des Seminars übte der Umgang mit den 500 Jahre alten Buchexemplaren natürlich eine ganz besondere Faszination aus. Vorsichtig wurden die Bücherschätze bei der Lektüre auf Schaumstoffkissen gebettet und mit Bleischlangen beschwert, um die alten Pergamenteinbände, Metallverschlüsse und Papierseiten nicht zu beschädigen.
Ergänzt wurde das Seminar durch einen Gastvortrag in der Herzog August Bibliothek von Dr. Patrizia Carmassi zu Menschenbildern in mittelalterlichen Handschriften. Die Studierenden erlebten eine einmalige Präsentation kostbarer Manuskripte aus dem 12.-16. Jahrhundert. Als besonderes „Bonbon“ wurde zudem der ansonsten nicht öffentlich zugängliche „Liber floridus“ aus dem 12. Jahrhundert, eine der ersten mittelalterlichen Enzyklopädien, für dasSeminar exklusiv präsentiert und im Zeichen des Seminarthemas „Menschenbilder“ erläutert.
Das Exkursionsseminar richtete sich an Romanistik-Studierende der Französischen und Italienischen Literaturwissenschaft und war für höhere Lehramts- sowie Mastermodule anrechenbar. Die Reisekosten des Seminars sowie der Gastvortrag wurden in Absprache mit der Fachschaft Romanistik von den Geldern der Wohnsitzprämie bezahlt, die Übernachtungskosten wurden von den Studierenden selbst getragen. „Es hat sich gelohnt“, sagen die Studierenden, „Es ist faszinierend, mit so alten Büchern im Original zu arbeiten, man sieht die Texte dann mit ganz anderen Augen“.
Kontakt:
Institut für Romanistik
Prof. Dr. Stephanie Wodianka
August-Bebel-Str. 28
18055 Rostock
E-Mail: stephanie.wodiankauni-rostockde