Cultural Encounters as Physical Encounters

Prof. Dr. Hans-Uwe Lammel

Cultural encounters sind nicht nur Begegnungen von Menschen als Akteure mit Interessen und Zielen, Einsichten und Aussichten, sondern auch Vorgänge, bei denen Körper, die in unterschiedlicher Weise in diesen kulturellen Begegnungsvorgang eingebunden sein können, aufeinandertreffen: als leidende und betroffene Körper, als hilfesuchende Körper, als beobachtete Körper, als beobachtende Körper, als verwaltete Körper. Körper sind nicht nur Voraussetzung von Kulturen. Als Träger und Mittel kultureller Einschreibungen transportieren sie ebenso Krankheit und Seuche. Eine postkoloniale Medizingeschichte geht von der Überzeugung aus, dass Krankheit und Seuche Formen kultureller Begegnungen sind. Wer/was hierbei auf wen/was trifft, welche kulturellen Zeichen- und Symbolsysteme dabei aufgerufen und aktiviert, in Frage gestellt und modifiziert, welche kulturelle Differenzen offenbar werden und wie dieser Konflikt vermittelt wird, kann auf unterschiedlichen Ebenen untersucht werden.

1. ) Die Übertragung von Krankheit und Seuche von einem kulturellen Raum in einen anderen, bisher davon nicht berührten Raum im Zuge von kriegerischen als auch wirtschaftlichen Expansions- und Eroberungsunternehmungen ebenso wie die Einführung bisher nicht gekannter Pflanzen und Tiere, Mirkoorganismen und Lebensmittel konfrontieren nicht nur die biologische Kultur der Eroberer mit der der indigenen Bevölkerung und umgekehrt, sie zwingen in gleichem Maße beide Seiten zur Anpassung, wie sie der Ausbruch von Krankheit und Seuche mit sich führen, und zur Deutung des Geschehens, die bis zur Hybridisierung der eigenen Vorstellungen gehen können. Dabei führen unterschiedliche Betroffenheiten und Wahrnehmungen zu unterschiedlichen individuellen und kollektiven Reaktionen, die zwischen den Polen Aktionismus und Fatalismus angesiedelt sind.

2. ) Körper tragen aber nicht nur Spuren von Krankheit und Seuche. Körper in Sammlungen, Museen und Ausstellungen können auch Überreste einer Wissenskultur sein, die in der Repräsentation und Konfrontation von Körpern eine Möglichkeit sieht, ein Verständnis für das kulturell Andere, von differierenden Kulturen zu entwickeln, das durch eine asymmetrische Ausgangslage gekennzeichnet ist. Körper sind hier nicht Subjekte der Kulturbegegnung, sondern Objekte eines Wissenschaftsdiskurses und Wissenschaftsbetriebes, in dessen Zentrum anthropologische, ethnographische und medizinische Zugänge stehen.

In beiden Untersuchungsbereichen geht es um den Umgang mit kulturellen Differenzerfahrungen und die Konstruktion von Modellen und kulturellen Symbolsystemen für Erklärung und Abwehr, Transformation und Einschluss.